Die Engländer sind nicht schuld: Das „Du“ ist auch ohne fremde Hilfe auf dem Vormarsch
Das „Sie“ hat sich über viele Jahre seine Vormachtstellung als höfliche Anrede erkämpft – und nun das. Viele Jahre meint hier: ungefähr 200. Dann sind wir im 18. Jahrhundert. Bis dahin war es üblich, zwischen dem vertraulichen und direkten „du“ und dem höflichen „ihr“ zu unterscheiden. Zu dieser Zeit löste das „Sie“ das bis dahin gebräuchliche „ihr“ nämlich ab und die Anrede ging auf Distanz. Denn aus der zweiten Person Plural wurde die dritte Person Singular, also er oder sie, die man nicht mehr direkt ansprach: „Wie geht es ihr?“, fragte mein Ururgroßvater, wenn er von mir wissen wollte, wie ich mich fühle. Aber offenkundig war das der deutschen Sprache auch noch zu direkt. Denn in den folgenden Jahren wurde aus der dritten Person Singular die dritte Person Plural: das „Sie“. Aber nun erobert das „Du“ Terrain zurück. Ikea duzt mich, der Online-Händler Otto auch, die Telekom aber nicht. Ist die Telekom also hoffnungslos veraltet? Sprechen die da vielleicht kein Englisch? Mitnichten: Das englische „you“ entspricht sprachgeschichtlich dem deutschen „ihr“, das deutsche „Du“ hieß früher im Englischen „thou“. Aber dieses „thou“ hat seinen Kampf gegen das „you“ verloren. Und das heißt, dass sich im Englischen keineswegs generell gedutzt wird. Sprache ist eben nicht so einfach.